ECOChallenge - German Quest AdventureRace

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ECOChallenge

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Das erste Deutsche Team qualifiziert für dieses Rennen
ECO-Challenge Australien 1997 / Queensland

Teams
: ca. 50 Teams / 4er Mixed
Strecke
: ca. 600 km
Dauer
: max. 10 Tage Nonstop
Disziplinen
:
* Trekking
* Canoeing
* Rafting
* Horse Riding
* Climbing
* Sea kajak
* swim
* biking


Australien 1997  
The Inside Story - Eco Challenge North Queensland, Australien 1997
von Peter Weiland

11.August.
17.00 Uhr. Endlich, nach einem Jahr Vorbereitung stehen wir, Simone Kochan, Andreas Heldt, Eilert Bretting und ich an der Startlinie. Ein Moment, auf den ich nach der langen Vorbereitungszeit mit Sponsorensuche, Qualifikationsrennen in Rotenburg, unzähligen Trainingsstunden mit zwei Trainingslagern in Österreich und der Schweiz, lange gewartet hatte. Würde sich das Team, dass ich zusammengestellt hatte bewähren? Würde all die Arbeit belohnt werden? Diese Gedanken schießen mir durch den Kopf, als wir im Sonnenuntergang im Outback auf den Start warten. Um 17.30 Uhr geht es los. Die erste Etappe ist 95 km lang, zu Fuß haben wir weglose, mit Eukalyptus-Bäumen bewachsene Steppe vor uns. Da es anschließend ohne Wechselzone auf die Kanu- und Canyoningetappe gehen wird, sind unsere Rucksäcke schwer beladen. 6 Liter Wasser pro Person, Verpflegung für drei Tage, Klettergurte, Karabiner und Helm für die Kletteretappen, Schwimmweste fürs Kanu sowie 1.Hilfe und Survivalausrüstung lassen das Gewicht auf 20kg ansteigen, an joggen ist damit in dem weglosen Gelände nicht mehr zu denken.Einige der 43 startenden Teams gehen am Start sehr schnell an, wir halten uns bewusst zurück. Einteilen der Kraftreserven ist die oberste Maxime, genauste Navigation ist in der rasch hereinbrechenden Nacht gefragt. Am ersten Checkpoint nach 12 km sind wir auf Platz 35, zusammen mit dem Siegerteam des letzten Jahres aus Neuseeland. Dies zeigt uns, dass wir taktisch richtig handeln. Zusammen mit den Neuseeländern gehen wir stetig, nach Marschzahl laufend, durch die Nacht. Der funkelnde Sternenhimmel erleichtert die Navigation, allerdings kommen wir durch brusthohes Buschgras und über kopfgroßes Lavagestein laufend nur schwer voran. Immer wieder stürzen wir über umgestürzte Bäume, die für uns trotz der Stirnlampen im hohen Gras unsichtbar bleiben. Einen Schreck bekommen wir, als direkt vor den Neuseeländern eine Schlange durchs Gebüsch zischt.Wie die meisten Teams beschließen wir in dieser Nacht keine Schlafpause einzulegen.
12. August.
In der ersten Morgensonne erreichen wir Checkpoint 4 an einem kleinen Bach. Das erste Wasser seit dem Start. Eine lange Nacht mit 65 km Outback liegt hinter uns. Wir haben uns kontinuierlich vorgearbeitet und erfahren zu unserer Überraschung, daß wir auf Platz 7 liegen, sogar vor den Vorjahressiegern. Navigationsmäßig haben wir keine Fehler gemacht. Allerdings haben auch wir, wie die meisten Teams, Blasen an den Füßen. Am schlimmsten hat es Andreas und Simone erwischt. Eilert ist vor einen Stein getreten, sein großer Zeh ist geschwollen und blutunterlaufen. Wir müssen den Schuh aufschneiden und verarzten die Blasen an unseren Füßen. Dann geht es weiter. Die Eintönigkeit des Outback wird immer wieder durch Kängurus unterbrochen, denen wir begegnen. Bis zu mannshohe Tiere begegnen uns und beäugen uns vorsichtig bevor Sie leichtfüßig hopsend in der Savanne verschwinden.Es dauert nicht lang, bevor die Sonne hoch am Himmel steht und unbarmherzig auf uns nieder brennt. Andreas bemerkt ein leichtes Stechen in beiden Knien. Wir nehmen ihm etwas Gepäck ab und machen etwas langsamer weiter. Team Eco-Internet, die Vorjahressieger ziehen uns jetzt davon. Gegen Mittag erreichen wir, immer noch auf Platz 10 liegend, Checkpoint 5 auf einer Rinderranch. Andreas` Schmerzen sind stärker geworden und noch immer liegen 20 km bis zu den Kanus vor uns, das Gelände wird immer unwegsamer. Wir müssen Andreas den kompletten Rucksack abnehmen. Er kann die Knie kaum noch beugen und schleppt sich an Stöcken weiter. Innerlich kämpfe ich mit der aufkeimenden Verzweiflung. Wir tun alles, um ihm zu helfen und doch werden seine Schmerzen immer größer. Wir kommen nur noch etwa einen Kilometer pro Stunde voran. Uns ist klar, dass wir jetzt ständig zurückfallen, aber aus dem Rennen ist längst ein Kampf ums "Überleben" geworden. Gegen 24.00 Uhr haben wir immer noch nicht unser Ziel, den Herbert River, erreicht. Andreas kann nicht mehr. Wir beschließen zu schlafen und ihm eine längere Rast zu gönnen.
13. August.
05.00 Uhr. Nach einer unruhigen Nacht machen wir weiter. Ich konnte nur schlecht schlafen. Nach einigen Stunden kroch Kälte und Feuchtigkeit unter die dünne Aludecke, in die wir eingehüllt liegen. Wir hatten eigentlich nur geplant 2 Stunden pro Nacht zu Schlafen. Für längere Pausen, wie jetzt durch die Verletzung erforderlich erweist sich die Aludecke als unzureichend. Simone hat im Schlaf ständig gestöhnt, auch ihr ist Erschöpfung anzumerken. Andreas geht es wieder etwas besser , wir schöpfen neue Hoffnung. Nach etwa einer Stunde erreichen wir den Fluß und das Ende der ersten Laufstrecke. Wir sind auf Platz 26 zurückgefallen. Ein Medizinerteam versorgt unsere Blasen und untersucht Andreas` Knie mit sorgenvollem Blicken. Die Mediziner machen uns wenig Hoffnung und geben eine schmerzstillende Spritze. Die Diagnose lautet auf Sehnenentzündung. Wir hoffen, dass die bevorstehende Kanuetappe auf dem Herbert etwas Besserung bringt. Unsere Stimmung steigt, als wir in der Morgensonne lautlos auf dem Dschungel-Fluss dahin gleiten. Allerdings erweist sich der Fluss bald weniger erholsam als erhofft. Immer wieder versickert der er im Sand und wir müssen Kanus und Ausrüstung durch unwegsames Dickicht tragen und über Baumstämme zerren, um weiter zu kommen. Dadurch verschlimmern sich Andreas´ Knie weiter. Als die Wirkung der Spritze nachlässt, kommen die Schmerzen wieder. Als riesiger Feuerball versinkt die Abendsonne über den Bäumen, während wir aus den Kanus steigen, um eine riesige Fluss-Schleife durch eine 1Km lange Tragestrecke abzukürzen. Dies erscheint uns jetzt in der Nacht wesentlich schneller als das Paddeln in der Dunkelheit. Dennoch brauchen wir 2 Stunden, bis wir die Boote wieder einsetzen. Andreas ist an der Schmerzgrenze angelangt. Wir haben noch etwa eine Stunde zu paddeln, bis wir das Ende der Kanustrecke erreichen. In der völligen Dunkelheit zeigt es sich jetzt, dass unser Entschluss zu laufen statt zu paddeln richtig war. Immer wieder setzen wir auf Sandbänken auf, die wir mit den Stirnlampen nicht erkennen können. Wir müssen zum Teil große Umwege paddeln. Um 22.00 Uhr erreichen wir endlich CP 8. Andreas humpelt an Stöcken aus dem Boot. Er kann nicht mehr weiter. Wir beschließen, bis um 06.00 Uhr zu rasten, in der Hoffnung auf eine wundersame Besserung, denn noch liegen 30km Fußmarsch mit zahlreichen Kletterstellen vor uns.
14. August
. 06.00 Uhr. Ich wecke die anderen. Schon seit drei Stunden konnte ich in der Kälte nicht mehr schlafen. Simone war ununterbrochen am Stöhnen. Andreas macht einige Schritte, und tatsächlich, es geht besser. Wir schöpfen erneut etwas Hoffnung und gehen weiter. In der Morgensonne geht es am Rand des Herbert Canyon entlang. Wir brauchen eine gute Stunde, bis wir die Herbert Falls erreichen. 80m tief stürzt der Fluss hier in eine grandiose Schlucht. Bevor wir uns abseilen, findet ein Ausrüstungscheck statt. Die Rennleitung überprüft, ob alle Teams die vorgeschriebene Mindestausrüstung mitführen. Dann seilen wir uns ab in die Tiefe, direkt neben dem donnernden Wasserfall, ein gigantischer Anblick. Unten angekommen durchschwimmen wir den hier etwa 80m breiten Fluss unterhalb der Wasserfälle. Starke Strömung, die vollgesogene Kleidung und die Rucksäcke fordern alle Kräfte. Auf der anderen Seite klettern wir etwa 60m hinauf. Dies gestaltet sich tückisch, da die Felsen sehr glitschig sind. Besonders Simone hat große Schwierigkeiten, ihr fehlt einfach Kraft. Andreas zieht sich mit purer Armkraft hinauf. Wir sind wieder zuversichtlich. Oben angekommen essen wir ausgiebig - gefriergetrocknete Bergsteigermenüs. Der Hunger treibt es rein. Dann geht es weiter, immer am Herbert Canyon entlang. Das Gelände wird schwieriger, immer wieder müssen wir tief eingeschnittene Flusstäler durchqueren. Bald stellen sich bei Andreas die Schmerzen wieder in vollem Ausmaß ein. Wir kommen kaum noch voran. Nach etwa sieben Kilometern, für die wir genauso viele Stunden brauchen, bricht Andreas unter Schmerzen zusammen. Er ist am Ende. Es wäre unverantwortlich, ihn zum weitermachen zu ermuntern. Wir beraten in der Dämmerung unsere Situation und beschließen einhellig, die Rennleitung per Funk über unsere Lage zu unterrichten und mitzuteilen, dass Andreas nicht mehr weiter gehen kann. Als ich das Siegel am Funkgerät breche, ist mir klar, dass wir damit disqualifiziert sind. Die Rennleitung entscheidet, Andreas im ersten Morgengrauen per Helikopter zu evakuieren. Wir biwakieren eine weitere kalte Nacht.
15. August.
06.00 Uhr. Wir wachen auf. 15 Minuten später ist der Helikopter des Medical Teams bei uns. Der Arzt gibt Andreas eine Morphiumspritze, um ihn überhaupt bewegen zu können. Wenige Minuten später heben sie ab. Wir sind ausgeschieden. Ich kämpfe mit meinen Tränen. Wir alle sind niedergeschlagen, beschließen aber dennoch als 3-er Team außerhalb der Wertung weiterzumachen. Etwas später erreichen wir den nächsten Checkpoint, an dem wir wegen des Ausscheidens eines Teammitglieds eine 24 stündige Zeitstrafe absitzen müssen. Dies wirft uns auf Platz 41 zurück. Die 11 km bis zum nächsten Checkpoint legen wir so schnell zurück wie die schnellsten Teams. Dann geht es auf einem schwindelnd steilen Pfad hinab in den mittlerweile 500m tiefen Canyon. Unten angekommen hangeln wir uns im Mondlicht 200m am Seil über den krokodilverseuchten Fluss. Eine märchenhafte Szenerie. Dann steigen wir im Blencoe Canyon auf, wo wir unterhalb der Wasserfälle kurz Schlafen, um im ersten Morgenlicht hinaufzuklettern.
16. August.
Um 05.00 Uhr stehen wir auf, uns erwartet der vielleicht spektakulärste Teil des Rennens. Nachdem wir im Morgengrauen an einem Seil über den Blencoe River hangeln, klettern wir ca. 250m direkt neben einem Wasserfall im Granit hinauf. Währenddessen kommen die ersten Sonnenstrahlen über den Canyonrand und wärmen uns. Oben angekommen müssen wir zweimal den Blencoe durchschwimmen, bevor wir direkt neben den majestätischen Blencoe Falls stehen. Der Fluss stürzt hier in freiem Fall ca. 100m in die Tiefe. Direkt daneben haben die Organisatoren Fixseile befestigt, an denen wir nun mit Steigklemmen freihängend aufsteigen. Die Szenerie ist einzigartig. Fast zum Greifen nahe der Wasserfall, in dessen Gischt sich kleine Regenbögen bilden, tief unten im Canyon liegt immer noch eine dicke Nebelbank. Wir steigen der Sonne entgegen. Der Aufstieg kostet Kraft, besonders Simone hat schwer zu kämpfen. Aber wir können ihr nicht helfen, lediglich ihre Ausrüstung können wir ihr abnehmen. Nach einer guten Stunde sind wir alle oben. Nach einer weiteren Stunde Fußmarsch am Blencoe River entlang erreichen wir endlich unsere Bikes. Der Fußmarsch ist zunächst zu Ende. Die Rennleitung hat die Bikes hier in Koffern für uns bereitgestellt. Heißhungrig verschlingen wir die Lebensmittelkonserven, die wir in den Koffern deponiert haben, während wir die Bikes montieren. Durch die Verletzung und die 24stündige Zeitstrafe waren unsere Lebensmittelreserven völlig erschöpft. Nach ca. 1Std geht es weiter. Ein 25 km langer Pfad durch den Wald bringt uns zum ersten Versorgungscamp. Wir alle sind heilfroh, erst einmal von den Füßen "runter" zu sein und andere Muskeln zu beanspruchen. Der Pfad ist abwechslungsreich, wir erleben den Übergang von Trockensavanne zu Regenwald mit. Nochmals sehen wir eine Schlange direkt vor meinem Vorderrad. Ich erstarre, aber die Schlange verschwindet sofort. Allmählich nähern wir uns den Küstenbergen. Gegen 14.00Uhr erreichen wir das Camp. Hier haben wir Zugang zu unseren Ausrüstungskisten, um neue Verpflegung aufzunehmen und die Ausrüstung für die nächste Etappe zu packen. Vor uns liegen jetzt nochmals 75 km auf dem Mountainbike durch den Regenwald, ca 20 km Rafting auf dem Tully River, ein 20 Kilometer langer Fußmarsch durch den Regenwald, eine Reitetappe über 35 km und schließlich nochmals 22km auf dem Mountainbike, bevor wir das nächste Camp erreichen werden. Um das Gewicht der Ausrüstung möglichst zu minimieren, beschließen wir die gesamte Teiletappe ohne Schlafpausen zurückzulegen. Wir rechnen mit einer Dauer von 30 Stunden. Nachdem das Medical Team noch einmal die Blasen versorgt hat, brechen wir auf. Um Simone das Biken zu erleichtern, teilen Eilert und ich ihr Gepäck komplett auf. Zunächst läuft es sehr gut, wir überholen einige Teams. Dies zu sehen, baut uns etwas auf. Kurz nach dem Start wird es dunkel. Das dichte Dach des Regenwaldes macht die Nacht pechschwarz. Im Schein der Akkulampen kommen wir jedoch gut voran. Wir überqueren zahlreiche abenteuerliche Brücken. Das Gekreische der Vögel im Wald ist faszinierend. Der Weg wird jedoch immer schlammiger und der zähe, rote Lehm setzt Schaltungen und Zahnkränze völlig zu. Immer wieder müssen wir anhalten, um die Bikes zu reinigen. Nach 40 km fällt meine vordere Schaltung aus. Ich kann nur noch auf dem mittleren Kettenblatt fahren, "mörderisch" bei den zahllosen giftigen Steigungen. Die Bikeetappe wird für mich zur Qual. Meine Oberschenkel scheinen förmlich zu platzen.
17. August.
Gegen 03.00 Uhr morgens versagen plötzlich 2 der Akkuscheinwerfer. Noch immer liegen drei Stunden Dunkelheit vor uns. Zum Glück wird der Weg etwas breiter, so dass wir fast nebeneinander fahren können. Mit dem Licht am Bike des Mittelmannes können wir weiterfahren, wenn auch etwas langsamer. Als wir um 06.00 Uhr den Checkpoint erreichen, falle ich erschöpft vom Bike. Während Eilert und Simone die Bikes demontieren und in Koffer verpacken, versuche ich mit Stretching meine völlig verspannte Muskulatur wieder funktionstüchtig zu machen. Zu Fuß sind es nur 1,5 km bis zu den Rafts, aber die haben es in sich. Auf 500 Meter Länge geht es schließlich 500 Höhenmeter hinunter in den Tully Canyon. Simone probiert es mit der Schlittenmethode und rutscht auf dem Hosenboden durch den Wald. Wir kämpfen darum, auf dem losen Geröll nicht unkontrolliert ins Rutschen zu kommen. Unten angekommen verlieren wir nicht lange Zeit und machen gleich unser Raft fertig. Jedem Team wird ein erfahrener Guide zugeteilt. Die 2 Stunden auf dem Fluss werden zur kleinen Erholung. Das kühle Wasser lässt die Strapazen der vergangenen Nacht vergessen und weckt neue Lebensgeister. Wir haben Zeit, die Landschaft etwas zu genießen. Dichter Regenwald reicht zu beiden Seiten an den Fluss heran, immer wieder stürzen kleine Wasserfälle von den Ufern herunter. Technisch anspruchsvolle Stromschnellen wechseln mit ruhigen Flussabschnitten, auf denen wir uns ins Zeug legen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Gegen Mittag erreichen wir den Checkpoint und bereiten uns auf den Fußmarsch durch den Regenwald vor. Die Bekleidung ist triefend nass, trocknet jedoch schnell in der heißen Sonne. Unser Pfad windet sich steil hinauf durch den Dschungel. Majestätische Riesenfarne und andere bizarre Pflanzen säumen den Weg. Das Vogelgeschrei ist ohrenbetäubend, immer wieder sehen wir weiße Papageien. Der Weg zieht sich wie Kaugummi. Simones Zustand macht mir Sorgen. Ihre Blasen schmerzen offensichtlich stark, ihre Füße sind über die Gelenke geschwollen. Mühsam schleppt sie sich hinauf. Auch Eilert humpelt etwas. Sein Zeh ist dick geschwollen, unter dem Nagel hat sich eine stark eiternde Nagelbettentzündung gebildet. Wie weit werden wir noch kommen? Hat es überhaupt Sinn noch weiter zu machen? Diese und ähnliche Fragen schießen mir durch den Kopf. Von einem Kameramann erfahren wir, das Team Eco-Internet aus Neuseeland, die Vorjahressieger, gerade soeben als Gewinner die Ziellinie überquert hat. Im letzten Sonnenlicht erreichen wir die Pferde und bereiten uns auf den Ritt vor. Wir haben gute Pferde erwischt. Sie gehorchen willig auf die Kommandos. Der Ritt wird zu einem besonderen Erlebnis. Wie eine Laterne steht der Vollmond am Himmel und beleuchtet den Regenwald mit einem geheimnisvollen, silbernen Licht. Es ist so hell, dass wir keine Stirnlampen brauchen, die Pferde sind extrem trittsicher. Wir können uns sogar ein Nickerchen im Sattel erlauben. Der gleichmäßige Schritt wiegt mich immer wieder kurz in den Schlaf, dann schrecke ich wieder hoch, wenn mein Pferd stehen bleibt. Der Wald mit seiner fremdartigen Vegetation wirkt auf mich wie ein Zauberwald. Den ganzen Ritt erlebe ich wie eine Reise in eine total fremde Welt.
18. August.
Um 04.00 Uhr erreichen wir total ausgekühlt den nächsten Checckpoint. Wir geben die Pferde ab und müssen nun unsere Bikes wieder montieren. Simone ist total erschöpft und will nur noch schlafen. Es ist jedoch bitter kalt und wir haben keine trockene Wechselbekleidung mit. Schlafen kommt für mich nicht in Frage. Wir würden nur weiter auskühlen und uns in eine kritische Lage bringen. Wir sind uns uneinig. Während ich mit Eilert die Bikes zusammenbaue, wobei uns schnell warm wird, versucht Simone zu schlafen. Sie zittert unaufhörlich. Als wir mit dem Zusammenbau fertig sind, machen wir uns schnellstens auf den Weg. Schon nach dem ersten Anstieg ist uns wieder warm. Die Sonne geht gerade auf. Wir durchqueren hügeliges Farmland und immer wieder dichten Regenwald. Das saftige Grün der Weiden leuchtet in der Sonne. So könnte es in Irland aussehen, denke ich. Über holprige Kuhpfade kommen wir nur langsam voran. Mehrere Flüsse müssen durchwatet werden. Dies kostet immer wieder Zeit und bekommt den infizierten Füßen meiner beiden Teamkameraden nicht gut. Als wir nach 25km um 09.00 Uhr in das zweite Camp rollen, geht ein wolkenbruchartiger Regenschauer über uns nieder. Eilert und Simone begeben sich sofort in das Zelt zur medizinischen Versorgung der Füße. Als Simone ihr Bein auf den Tisch legt, zittert ihre gesamte Muskulatur wie unter Stromstößen, Blut läuft aus den Blasen, als die Pflaster abgezogen werden, ihre Knöchel sind ballonartig angeschwollen. Der Arzt diagnostiziert "totalen Glucosemangel", und eine Überforderung des Lymphsystems. Sie ist zudem völlig erschöpft. Jetzt rächt sich, dass sie seit einigen Tagen versuchte, mit Cola und Schokoriegeln über die Runden zu kommen, anstatt unsere vitamin- und mineralstoffreiche Energienahrung zu essen. Da auch Eilerts Zeh übel aussieht und wir immer noch gut im Zeitlimit liegen, beschließen wir, bis zum nächsten Morgen zu pausieren, in der Hoffnung, dass sich Simones Zustand vielleicht bessert.
19. August.
Um 04.30 Uhr stehen wir auf und machen uns fertig. Simone sieht schlecht aus, ihre Füße sind noch mehr geschwollen so dass sie nicht mehr in ihre Schuhe hinein kommt. Für sie ist die Eco-Challenge zu Ende. Ihr unprofessionelles Verhalten in der Trainingsphase und während des Rennens ließen ein besseres Abschneiden nicht zu.Eilert kommt ebenfalls nicht in die Bikeschuhe hinein, beschließt aber mit den bereits aufgeschnittenen Laufschuhen weiterzuradeln. Vor uns liegen noch mal 65km auf dem Bike und 45 km zu Fuß durch den Regenwald bis zum nächsten Camp. Zu zweit kommen wir gut voran. Auf schmalen Pfaden durchqueren wir Regenwälder und Wiesen und durchwaten weitere Flüsse. Auf der steilen, glitschigen Abfahrt zum Barron River überschlägt sich Eilert plötzlich mit dem Bike. Sein Vorderrad kam an einem Stein zum jähen Stillstand. Ich bekomme einen ziemlichen Schreck, als er nur langsam und tief nach Luft japsend wieder auf die Beine kommt. Zum Glück ist nichts ernsthaftes passiert. Das kalte Wasser im hüfttiefen Barron River verschafft weitere Linderung. Um 10.30 Uhr erreichen wir das Ende der Bikeetappe. Wir haben nochmals einige Teams eingeholt und Bestzeit auf diesem Stück gefahren. Dies zu hören tut gut. Inoffiziell werden wir noch auf Platz 33 geführt. Nachdem wir die Bikes verpackt haben, versorgen wir noch einmal Eilerts Zeh. Er sieht schlimm aus, Eilert macht einige Gehversuche und beschließt dann angesichts der extrem schwierigen Laufettappe aufzugeben. Ich unterstütze seine Entscheidung. Wir sind sowieso nicht mehr in der Wertung und es macht keinen Sinn mehr für Eilert, die Höllenqualen des Marsches auf sich zu nehmen. Ich weiß, wenn es sein müsste, hätte er es gepackt. Aufzugeben fällt ihm sichtlich schwer. Ich bin zunächst etwas unschlüssig. Ist dies nun auch das Ende für mich? Bis hierher und nicht weiter? Eigentlich fühle ich mich noch fit. Bis auf zwei kleinere Blasen habe ich bisher keine Blessuren. Es trifft sich ganz gut, dass sich gerade ein anderes Team zum Abmarsch fertig macht. Team Houston, ebenfalls nicht mehr in der Wertung und nur noch mit drei Leuten unterwegs. Wir kennen uns noch aus dem letzten Jahr. Dir drei haben nichts dagegen, als ich frage, ob ich mich anschließen könne. Um 11.30 Uhr sind wir abmarschbereit. Auf einem abenteuerlichen Dschungelpfad geht es steil aufwärts. Dicke Schlingpflanzen und riesige Granitblöcke erschweren den Aufstieg auf den mit 1600m höchsten Punkt North Queenslands, den Mount Bartle Frere. Der Berg ist der regenreichste Punkt in Australien. Dementsprechend schlammig ist der Pfad. Oft versinken wir bis zu den Knöcheln im Morast. Der Pfad führt uns über alle drei Gipfel des Berges. Wir können einen kurzen Blick auf das Meer, unser Ziel genießen, bevor wir erneut von dichten Wolken eingehüllt werden. Dennoch kommen gut voran. Als es dunkel wird, haben wir den härtesten Teil des Abstieges bereits geschafft. Der Weg wird nun breiter und bald lassen wir den Berg hinter uns. Aber noch trennen uns 25 km durch schier endlose Zuckerrohrfelder vom Strand. Wir fallen in einen Trott, jeder ist mit seinen Gedanken allein. Ich habe Zeit, die Erlebnisse der letzten Tage und des vergangenen Jahres Revue passieren zu lassen. Ich komme mit mir selbst wieder ins Reine. Ich weiß, dass die Verletzung von Andreas völlig unvorhersehbar kam. Er schien in den Trainingslagern grenzenlos belastbar zu sein. Natürlich bin ich über unser Abschneiden enttäuscht, aber es lag einfach nicht in meiner Macht, den Ausgang zu verändern. Mit dieser Gewissheit schließe ich Eco-Challenge 1997 für mich ab, denn ich weiß, auch für mich wird es am Strand zu Ende sein. Allein darf ich die letzten 80km zum Ziel nicht mehr paddeln. Erst jetzt lerne ich unseren 12. Platz vom letzten Jahr richtig schätzen. Wie viel Glück hatten wir doch damals. Durch unser Scheitern mache ich Erfahrungen, die ich mir nie hätte träumen lassen und die für mir jetzt sehr wertvoll erscheinen. Noch zweimal müssen wir eine Pause einlegen, weil Michelle total ermüdet ist. Wir schlafen jeweils 15 Minuten im Sitzen bis der erste aufwacht. Erstaunlich erfrischt geht es nach diesen Kurzschlafpausen weiter.
20. August.
03.30 Uhr. Im leichten Nieselregen erreichen wir den vorletzten Checkpoint am Strand. Endstation, 80km per Kajak vom Ziel entfernt. Andreas begrüßt mich, wir tauschen kurz die Erfahrungen der letzten Tage aus. Müde gebe ich unser Kontrollbuch ab und lege mich schlafen.
Beim Einschlafen denke ich an Eco-Challenge 1998 in Marokko: Wüste, Atlantik, Hoher Atlas.
Eine neue Herausforderung?

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